Montag, 6. Juli 2009

Hegel hätte bestimmt gerne geholfen

Dieser Beitrag basiert auf einem Diskurs zwischen Thomas Kerstan und Evelyn Finger, gefunden auf Zeit.de. Die Links findet der geneigte Leser im Text selbst.

Lieber Herr Kerstan, ich verstehe den Grundtenor Ihrer Fürsprache für eine effiziente und gut durchdachte Gestaltung wissenschaftlicher und, wie sie es nennen, wisschenschaftsnaher Ausbildung durchaus und in gewissen Grenzen teile ich diese Auffassung auch. Die mannigfalten Probleme, vor denen die Gesellschaften moderner Prägung heute stehen benötigen andere Lösungen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Dafür benötigt man zwangsläufig auch eine andere Ausbildung.

Aber Ihr Auskeilen in Richtung von Evelyn Finger und ihrer Propaganda für eine universelle Bildung und der Hochachtung vor dem Wissen als solchem halte ich bestenfalls für überflüssig. Ihr Denkansatz greift in meinen Augen zu kurz, denn außer dem Einfordern von mehr Geld (dem ich zweifellos zustimme) liefern auch Sie keine Antworten.
Sie zitieren Dahrendorf als ein Ideal, das es mit der Aufteilung in Universitäten und Fachhochschulen so schon gegeben hat. Lese ich daraus aber eine Zustimmung zum Werkzeug der konsekutiven Studiengänge als Mittel der Trennung zwischen wissenschaftlicher und wissenschaftsnaher Ausbildung, so geißeln Sie „amorphe Masterstudiengänge“ nur wenige Zeilen später. Ich muss offen gestehen, Sie verwirren mich.

Ich möchte Ihnen beiden, Frau Finger und Herrn Kerstan, meinen Standpunkt darlegen, der sich ein wenig abseits Ihrer Debatte bewegen mag, ihren Kern aber dennoch an mehr als nur einer Stelle berührt.
Die Universität ist eine Anstalt umfänglicher Bildung. Sie erhebt in ihrem Idealzustand den Anspruch auf eine universelle Schulung des Geistes. Dazu gehört die theoretische Ausbildung im Allgemeinen genauso wie die fachliche Ausbildung im Speziellen. Und dazu gehört in meinen Augen vor allem eine umfassende allgemeine Bildung. Studenten müssen dazu angeregt werden, sich auch gänzlich fachfremd betätigen zu können und zu müssen. Schon allein damit kann dem Ideal der Interdisziplinarität näher gekommen werden als mit immer neuen und angeblich maßgeschneiderten Studiengängen. Mit am Dogma der Effizienz ausgerichteten Studienplänen von „Massenuniversitäten“ ist das aber nicht zu erreichen.

Eine intellektuelle und kritische Gesellschaft wurzelt zu einem nicht unerheblichen Teil an den Universitäten. Die Beschränkung von Deutungshoheiten auf einige wenige Eliten, die sich genau dem und nichts anderem verschrieben haben, kann der Gesellschaft und auch einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Dauer nicht gut tun.
Natürlich muss eine Ausrichtung auf die geänderten Verhältnisse der Arbeits- und Forschungswelt geben. Das „Ideal der Wertschätzung von Gelehrtheit, der Hochachtung vor dem Wissen an sich“ kann und darf auf dem Altar der Modernisierung eines an seine Grenzen stoßenden Modells aber nicht geopfert werden. Etwas angepasst werden darf es allerdings schon.

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