Freitag, 10. Juli 2009

Es tut mir leid

Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich peinlich berührt oder wütend sein soll. Ob ich ärgerlich oder mäßigend in die Debatte eingreifen soll, die sich momentan um die Ermordung der Ägypterin Marwa El-Sherbini rankt.

Zuerst einmal ein Anliegen: Es tut mir leid, dass das passiert ist; so wie es mir um jedes Opfer eines Gewaltverbrechens leid tut. Ich kann die Trauer von Familie und Freunden nicht nachfühlen, ich hatte einen solchen Verlust nicht erleiden müssen. Ich kann Ihnen nur mein Beileid bekunden und hoffe, dass es auch so ankommt, wie ich das meine. Aufrichtig.

Dann eine Bitte: Auch wenn der Aufruhr im Moment groß und nicht ganz unberechtigt ist, so tut es der Debatte doch gut, sie zumindest hin und wieder gedanklich auf ihren Kernpunkt zu reduzieren (freilich nicht ohne die anderen Aspekte auszublenden): Eine Person wurde von einer anderen Person aus, in meinen Augen, niederen Beweggründen umgebracht. Das soll keine Beschneidung sein sondern eher eine Methode, um ein Ausufern zu vermeiden.

Und nun ist es mir ein Anliegen, mich neuerlich zu entschuldigen. Es tut mir leid, dass die Ereignisse, denen man aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre eine nicht unerhebliche Brisanz zusprechen muss, so ohne eine adäquates gesellschaftliches Echo geblieben sind. Keine Entschuldigung. Keine Geste der Trauer. Keine Würdigung.
Natürlich ist es ein streng genommen ein Verbrechen wie so viele andere auch. Die Herkunft des Opfers und das Motiv des Täters aber geben ihm politische Tragweite. Keiner, weder Frau Merkel noch Herr Schäuble oder Herr Steinmeier hätten sich mit einer Entschuldigung und/oder eine Beileidsbekundung in irgendeiner Form weh getan. Ein Statement gegen Ausländerfeindlichkeit wäre dazu schnell ausgesprochen gewesen. Es hätte die Wogen, die nun schlagen, vermutlich deutlich geglättet und wäre ein positives Signal an die islamische Welt gewesen. Diese Chance aber wurde verspielt.

Nun zu dem Punkt, an dem ich mich nicht entscheiden kann, ob ich ärgerlich oder peinlich berührt sein soll. In der ehrwürdigen Zeit gab es mindestens eine absolut unwürdige Diskussion von Leser im Kommentarforum. Teilweise überdeutlich wurde dort spekuliert, stereotypisiert, unterstellt und gehetzt. Was dort an verbalem und geistigem Müll ausgekippt und zu einer gefährlichen Mischung aus Islamophobie und Aggressionspotential zusammengerührt, unterstreicht in schönster Weise jene Art von Fremdenhass, den aufgebrachte Ägypter den Deutschen in Moment unterstellen. Wir als Staatsbürger tun ganz offenbar wirklich alles dafür, dieses Negativbild noch zu unterstreichen.
Das Opfer wird dort beispielsweise von einem Kommentator als „jähzornige und aggressive Kopftuchträgerin“ bezeichnet. Ja, sie trug ein Kopftuch. Aber Herrgott noch mal, wenn jemand mit einem Kreuz daher kommt, regt sich auch keiner auf. Sie war Apothekerin, studiert, etabliert, integriert. Das ist deutlich mehr als man von einem Teil dieser deutschen Gesellschaft erwarten kann; vornehmlich von jenem Teil, der die Bluttat jetzt kleinzureden versucht und sich mehr oder minder offen zu gelebter Phobie vor dem Islam und seinen Gläubigen bekennt. (In diesem Zusammenhang muss eine begriffliche Trennung zwischen Islamophobie und Muslim-Phobie nicht erfolgen, denn in den Köpfen derer, die sie pflegen, gibt es zwischen den Begriffen keinen Unterschied. Jede Diskussion darüber ist nur eine schnöde Ablenkungstaktik vom eigentlichen Kern der Sache.)

Zusammengefasst: Das Bild, was die Deutschen im Moment von sich zeichnen, kann negativer und peinlicher kaum sein. Ob der Schaden, der damit im interkulturellen Dialog angerichtet wurde, von Dauer ist, bleibt offen. Zu hoffen ist es nicht.

Es tut mir leid, dass das alles so passieren musste. In meinem Sinne war es nicht. Ich bin sicher, es gibt noch mehr von uns, die so denken. Aber wo sind sie?

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Caro,

arbeite Dich doch nicht an den Flachpfeifen in Kommentarforen von Zeitungen auf.
Im Vergleich zur Süddeutschen geht es bei der Zeit anscheinend ja noch gesittet zu, aber insgesamt finden sich auch dort die größte Dichte an Trolls, die ich je gesehen habe, und einzelne Leute treiben ihre Doofheit zudem in erstaunlicher Weise auf die Spitze.
Die verstecken sich alle hinter ihrem Bildungsbürgertum und lassen dann - höflich gesagt - unreflektiert die Sau raus.

Sich mit Foren von Zeitungen zu befassen ist nach meiner Beobachtung nicht mal im Ansatz die Mühe wert.