Dienstag, 28. Juli 2009

Das Hobby der Anderen

Es gibt in diesen Tagen Vieles, über das zu bloggen sich lohnte. Da sei beispielsweise die erwachte Netzaktivität der SPD-Linken, die ich mit dem überheblichen Schmunzeln des Schon-immer-gewusst quittiere - das ist nicht unbedingt freundlich aber zumindest ehrlich. Da sei auch die Entscheidung der EU-Außenminister zur Weitergabe von Bankdaten europäischer Bürger an US-Behörden – naja, vielleicht kommt dazu ja noch etwas.
Jetzt aber widme ich mich einem Phänomen der Netzkultur, das in den letzten beiden Jahren wieder verstärkt aufgetreten ist und mir als Blödsinn-liebendem Menschen überaus gut gefällt. Es geht mir um Flashmobs. Weniger vielleicht um das Phänomen des kollektiven Unsinns als solchem, auch wenn es Stoff für ausschweifende und mit Sicherheit überaus erheiternde Diskurse gäbe; man denke da nur an Massenkissenschlachten, an das andauernde Rezitieren eines Textes oder an das stille Starren in den Himmel. Alles wundervolle Dinge. Aber das sehen deutsche Ordnungsämter unter Umständen anders.

Braunschweig beispielsweise verwehrt sich vehement gegen die Veranstaltung eines spontanen Picknicks auf dem Schlossplatz. Sylt verklagte den Veranstalter einer spontanen Strandparty wegen des erhöhten Aufkommens an Müll. Der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus verlangte jüngst gar ein Verbot solcher Veranstaltungen und echauffierte sich mit den Worten:
„Es ist nicht hinnehmbar, dass Tausende unorganisiert feiern und anschließend die Gemeinschaft den Dreck wegräumen und die Folgen bezahlen muss.“
Und er scheut sich auch nicht vor des Politikers Lieblingsgriff in die Trickkiste: eine Gesetzesänderung. Natürlich.

Was aber bringt Politiker und Stadtverwalter dazu, zu solchen Mitteln zu greifen? Das Argument der Verschmutzung greift zu kurz. Schon allein, weil die Teilnehmer eines Flashmobs genauso zur Gesellschaft gehören wie jeder andere auch. Natürlich ist es nicht schön, seinen Müll liegen zu lassen. Aber das wäre allenfalls ein Grund für eine Bitte um Verbesserung, der sich, so meine gewagte These, auch keiner widersetzt hätte. Flashmob zum Aufräumen. Klappt bestimmt auch.
Ich als Mitglied dieser Gesellschaft möchte so behandelt werden wie die Teilnehmer der Love Parade, die nicht nur jahrelang durch Berlin gezappelt sind sondern dort auch Berge von Müll hinterlassen haben. Ich als Mitglied dieser Gesellschaft möchte nicht nur zusehen wie jeden Tag Unsummen für die Betreuung und Verwahrung sozial oder kriminell Auffälliger ausgegeben wird. Ich als Mitglied der Gesellschaft möchte nicht nur zusehen, wie Millionen für die Veranstaltung eines fragwürdigen Gipfeltreffens, dessen Vor- oder Nachbereitung ausgegeben werden, ohne dass ich davon profitiere. Ich als Mitglied der Gesellschaft, das sich mit Steuern und Abgaben Monat für Monat an der Aufrechterhaltung derselben beteiligt, möchte hin und wieder auch ein klein wenig Verständnis von der Gesellschaft zurück haben. Und wenn es nur Toleranz gegenüber meinen überaus ungefährlichen Neigungen ist. Niemand muss den Flashmob-Geschmack teilen. Aber bitte toleriert ihn! Das ist das Mindeste.

Wie die Zeit aber so treffend festgestellt hat, ist es vermutlich weniger der Flashmob als solcher, der solcherlei Protest und Regelungswut hervorruft. Mehr noch wird es das Internet sein, das zwar schon seit Jahren existiert, das aber offenbar erst jetzt in den Fokus einer weiteren, politisch etablierten und wirkenden Öffentlichkeit tritt. Allerdings tut es das nicht als Werkzeug, als Kommunikationsplattform. Vielmehr dient es als Teufel, der beliebig oft an die Wand gemalt werden kann. Dort können Terrorpläne ausgeheckt werden. Dort können Kinderpornos vertrieben werden. Und dort werden Flashmobs organisiert. Oh mein Gott.
Natürlich hat es Flashmobs vor Erfindung und Verbreitung des Internets nicht gegeben! Autorennen kamen schließlich auch nicht vor der Erfindung des Verbrennungsmotors auf!

Man hat Angst vor etwas so Mächtigem, wenn man es nicht wirklich versteht. Das ist nicht unähnlich dieser kindlichen Urangst vor dem Monster im Dunkeln. Das aber sollte keine Basis für Politik sein. Denn diese führt automatisch und folgerichtig nur in eine Richtung: versuchte Kontrolle und Überwachung dessen, was eigentlich nur ein Kommunikationsmittel ist. Von der Einschränkung persönlicher Freiheiten mal ganz abgesehen.

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