Freitag, 17. Juli 2009

Annas traurige Schwester

Natalja Estemirowa ist tot. Sie lässt sich in eine immer länger werdende Liste ermorderter Menschen- und Bürgerrechtler einordnen, die hier nicht genannt werden muss. Die westliche Presse ergeht sich im Moment wieder gegen den russischen Unrechtsstaat und seine so offensichtlichen Verstrickungen in Auftragsmorde an Regimekritikern.
Es gleicht einem Reflex, wenn der Online-Ableger der Zeit titelt „Und der Kreml schaut zu“. Mal ganz ehrlich: hat irgendjemand auch nur im Entferntesten irgendetwas anderes erwartet? Natürlich schaut er zu. In Tschetschenien herrscht der Lieblingssohn des übermächtigen Politfürsten Wladimir Putin. Ihn wird man mit einem ernst gemeinten Prozess gegen die Mörder der Menschenrechtlerin Estemirowa kaum bloßstellen wollen. Zudem pflegt auch das putinsche Russland eine lang peerfektionierte Kultur der Vertuschung.
Einzig Medwedew erhob seine Stimme zu einem kämpferischen Aufruf. Aber das hat andere Gründe.

Der Präsident braucht den Aufruf zur Etablierung eines eigenen Profils. Glauben schenkt ihm dafür allerdings kaum jemand.
Medwedew wurde nicht russischer Staatspräsident, um dort mit seinem Charisma jene Souveränität und Stärke zu verkörpern, die sein Vorgänger auszustrahlen vermochte. Genau das Gegenteil brachte ihn in das Amt, das er nun inne hat. Und das weiß nicht nur er. Die starke Hand im Kreml gehört noch immer dem Kalten Krieger Putin. Und unter seiner Regentschaft hat sich in jenem riesigen Land noch nie etwas in Richtung Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entwickelt.

Was jetzt nötig ist, sind keine hilf- und wirkungslosen Parolen der Empörung. Was jetzt nötig ist, ist eine klare Aufforderung an die europäischen Staaten, sich zu positionieren und, wenn nötig, Konsequenzen aus diesem neuerlichen Mord zu ziehen. Das mag beim ersten Mal noch keine merkliche Rolle spielen. Auch beim nächsten Mal vielleicht noch nicht. Aber auch hier gilt: steter Tropfen höhlt den Stein. Und es ist eine allemal adäquatere Antwort als die stete Betonung himmelschreiender Ungerechtigkeit.

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