Donnerstag, 19. Februar 2009

Anna und der Mörder

Anna Stepanowna Politkowskaja ist tot. Seit dem 7. Oktober 2006. Sie wurde erschossen im Lift ihres Wohnhauses in Moskau aufgefunden.
Anna Politkowskaja war Journalistin solch namhafter Zeitungen wie Iswestija und Nowaja Gaseta. Sie gehörte zu den wenigen Journalisten, die während des Tschetschenien-Krieges fortwährend entgegen der offiziellen Darstellung über den Konflikt und die Zustände in der Krisenregion berichtet hat. Soweit zu den Fakten.

Der erste Prozess um die Ermordung der Journalistin ist heute zu Ende gegangen und endete, kaum jemanden überrascht das, mit Freisprüchen. Überraschender mag da erscheinen, dass die Familie des Opfers das Urteil in dieser Form begrüßt hat. Nicht nur aus ihrer Sicht bestanden erhebliche Zweifel an der Schuld der Angeklagten Dschabrail Machmudow, Ibrahim Machmudow und Sergej Chadschikurbanow (das Verfahren um ehemaligen Oberst des Inlandsgeheimdienstes FSB, Pawel Rjagusow, wurde vom heute zu Ende gegangen Prozess abgetrennt). Die Staatsanwaltschaft, und dieser Umstand wird vor dem Hintergrund nun verständlicher, will in Berufung gehen.

Am eigentlichen Problem wird das allerdings nichts ändern. Die Journalistin, ihr Rechtsbeistand und manch anderer Kritiker der offiziellen Linie der Regierung der russischen Föderation sind tot. Über die wahren Hergänge, Täter, Hintermänner, Drahtzieher und Motive ist weder im Zuge der Ermittlungen noch im Laufe des Prozesses viel ans Licht gekommen. Wenige der Daten erscheinen handfest. Die von Reporter ohne Grenzen geforderte internationale Untersuchungskommission wurde von Wladimier Putin, zu dieser Zeit russischer Präsident, nicht gestattet. Stattdessen hat Russlands höchster Staatsanwalt, General Juri Chaika, die Ermittlungen an sich gezogen. Der Standard stellt nicht zu Unrecht fest, dass dieses Vorgehen zwar in einer Demokratie Anlass zur Hoffnung gäbe, sich das in Russland aber gänzlich anders verhält.

Was bleibt, sind Fragen, Spekulationen und wilde Schuldzuweisungen. Man wird den Eindruck nicht los, dass es nicht darum geht, den wirklichen Täterkreis zu fassen und ihre Motivation zu erkennen. Es geht nur darum, den Mord selbst, über den die russische Administrative mit einem nonchalanten Schulterzucken hinwegzugehen scheint, in der für die Regierungslinie selbst genehmsten Art und Weise auszulegen. Mit Demokratie hat das wenig zu tun.
Die Welt bringt es auf die folgende Formel:

Der Mord an Anna Politkowskaja ist der letzte Beweis dafür, dass Präsident Putin nicht mehr als eine ganz gewöhnliche Diktatur etabliert hat, mit all der dazugehörigen üblichen Missachtung der Gesetze.


Die Hoffnung auf eine Demokratisierung des riesigen Russlands ging nach Gorbatschow und Jelzin schleichend dahin. Wie deutlich, wird der breiten Öffentlichkeit vielleicht erst jetzt wirklich klar. Wladimir Putin hat mit seinem Machtanspruch und seiner Vorstellung einer starken Staatsführung den Nährboden für das skrupellose Ignorieren von Gesetzen gelegt. Wie kann, wie soll dieses Volk, das nie jemals eine Herrschaft aus sich selbst heraus erlebt hat, eine solche Staatsform denn etablieren können?

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