Donnerstag, 12. März 2009

Schnellschuss

Die Bluttat von Winnenden ist kaum 24 Stunden her und schon werden wieder Kritiken an „Ballerspielen“ und Gewaltvideos laut. Das war erwartbar. So erwartbar wie es populistisch und wenig bis überhaupt nicht zielführend ist; zumindest wenn das Ziel darin besteht, echte Abhilfe zu schaffen und nicht nur nach Wählerstimmen zu heischen oder den kurzfristigen Hunger nach benennbaren Schuldigen zu stillen.
Dabei ist die Nennung eines Schuldigen doch so einfach. Einfach und zugleich so unglaublich schwer weil unbequem.

Jeder von uns formt einen potentiellen Amokläufer. Jeder von uns. Vielleicht nicht mehr. Und vielleicht auch nicht willentlich. Aber das ändert am Resultat schlussendlich nichts.
Jeder von uns praktiziert Ausgrenzung in irgendeiner Form. Kinder und Jugendliche können Formen der Ausgrenzungen dabei meist noch viel wirkungsvoller ausleben als an mehr gesellschaftliche Normen gebundene Erwachsene. Niemandem ist der Umstand fremd, dass Schüler wegen nicht vorhandener Ausstattung mit Markenware ausgegrenzt werden. Niemandem ist der Umstand fremd, dass besonders gute Schüler hin und wieder als Streber hingestellt werden. Kinder können grausam sein. Jugendliche ebenso. Und in den meisten Fällen sind es stets die gleichen Personen, die Opfer verbaler oder gar körperlicher Attacken werden. Paart sich dieses „Opferdasein“ dann noch mit einer weniger stabilen Psyche, kommt hin und wieder etwas sehr Unschönes dabei heraus. In den Fällen Erfurt, Winnenden und zu einigen anderen Gelegenheiten eben auch ein Amoklauf.

Natürlich ist es keine Lösung, in die Klassen zu gehen, mit dem Finger auf jeden einzelnen Schüler zu zeigen und zu sagen „Du bist schuld“. Auch wenn das vermutlich ein heilsamer Schock wäre. Kinder und Jugendliche sind sich der Tragweite ihrer Taten nicht immer in ausreichender Weise bewusst. Solch dramatische Ereignisse können das Bewusstsein eines jeden einzelnen Schülers an dieser Stelle vielleicht ein wenig ändern. Und über kurz oder lang müssen sie das auch.
Wenn das Bedürfnis nach Parolen wirklich so stark ist, dann skandiert doch nach mehr Lehrpersonal, nach einer besseren pädagogischen Ausbildung und nach mehr Sozialarbeitern und Psychologen an deutschen Schulen. Dieses Land ist ein absolutes Entwicklungsland, was die Betreuung von Schülern außerhalb der reinen Wissensvermittlung angeht. Hier muss gearbeitet werden: an der Sensibilisierung der Mitschüler und an der personellen Infrastruktur der Schulen selbst. Nicht an der Indizierung von Ego-Shootern.

1 Kommentar:

go-phi hat gesagt…

Ob ich diese Aussage so direkt formulieren würde, weiß ich nicht.
Auf jeden Fall hast Du aber in dem Punkt recht, dass wir mit Ausgrenzung einen großen Teil zu solchen Auswirkungen beitragen.

Dabei ist es erstaunlich, dass ein Kind, solange es noch nicht in die Schule kommt die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen sehr gut ausbildet hat. Empathie, Verständnis, Zurückhaltung, Toleranz und Fantasie haben sich bis zum 6. / 7. Lebensjahr in einem atemberaubendem Tempo entwickelt. (Als Lehrer kann bspw. die Mutter betrachtet werden.) In dem Begriff „Soziale Intelligenz“, könnten diese Kompetenzen zusammengefasst werden. Das siebente Lebensjahr könnte allgemein hin als Höhepunkt der Ausprägung dieser Kompetenzen bezeichnet werden, da es von nun an in der Schule bergab geht. In Form einer Ausschaltungskonkurrenz kämpft jedes Individuum für sich. „Muttern“ hingegen entwickelte eine Form der Entfaltungskonkurrenz unter ihren Söhnen, da sie den einen nicht mehr als den anderen lieben wollte, sondern jeden für sich.