Montag, 26. April 2010

Die Leistungslüge

Bei der Zulassung zu einem beschränkten Studiengang ist der NC meist das Maß aller Dinge. An ihm glaubt eine Hochschule (oder wahlweise auch eine zentrale Vergabeeinrichtung) bemessen zu können, wie gut ein Bewerber für ein bestimmtes Studium geeignet ist. Dass dieses Verfahren seit Jahrzehnten gängige Praxis ist, macht es deswegen aber noch nicht gut.

Jüngst sind von der Medizinischen Hochschule Hannover eine Reihe von Studenten exmatrikuliert worden, die sich am NC vorbei ins Studium geklagt hatten. Die Argumentation einer solchen Klage ist meist derselbe: Die betroffene Hochschule sei durchaus in der Lage, mehr als die zugelassenen Studenten durch die universitäre Ausbildung in diesem Fach zu schleusen.
Im Falle der Medizinstudenten aus Hannover war dieses erste Urteil allerdings nicht rechtskräftig und die erteilte Zulassung nur vorläufiger Natur. Nun wurde das endgültige Urteil gefällt und die Studenten müssen ihren Pschyrembel wieder einpacken.

Der Online-Ableger der Zeit begrüßt dieses Urteil, ist es doch ein erstes Zeichen dafür, dass die Hochschulen sich dem teilweise schon groteske Züge annehmendem Wahnsinn des Einklagens in ein Studium nicht mehr uneingeschränkt beugen müssen. Natürlich hat dieser Umstand auch seine zwei Seiten, aber soweit kann ich die Zustimmung zumindest nachvollziehen.
Allerdings erscheint mir die Begründung von Jan-Martin Wiarda doch etwas fadenscheinig. Einzig der Hinweis auf die besondere Natur des Modellstudiengangs Medizin in Hannover (mit Patientenkontakt schon im ersten Semester und der begrenzten Anzahl geeigneter Patienten) folgt einer unbestreitbaren Logik. Diese Schlussfolgerung aber auf alle anderen NC-beschränkten Studiengänge zu übertragen, ist hanebüchen und realitätsfern.

Der Glaube an die Allgemeingültigkeit des NC beschränkt einen Abiturienten einzig auf ein paar Zahlen, seine Leistungsfähigkeit auf die Noten in Fächern, die für das gewünschte Studium unter Umständen gar nicht relevant sind. Nicht nur, dass Abiturnoten schon in einigen Bundesländern untereinander nicht zu vergleichen sind; bundesweit sind sie das erst recht nicht. Und kein Abitur bezieht die besondere Begabung oder Begeisterung eines angehenden Studenten für sein Fach ein. Neben einer soliden Grundbildung (die an sich jeder Abiturient mitbringen sollte, wenn er die Hochschulreife erlangen konnte), sind gerade im Fall des Medizinstudiums Beobachtungs- und Kombinationsgabe, Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis deutlich wichtiger als eine Note in Biologie. Einen guten Arzt zeichnet, und da kann jeder Patient mitreden, nicht nur seine fachliche Kompetenz aus. Das aber hat Herr Wiarda in seiner Ode an die Qualität des Studiums völlig ignoriert.

Keine Kommentare: