Freitag, 27. November 2009

Klappe, die Zweite

Der Deutsche Ethikrat hat sich jüngst zu einer Stellungnahme hinreißen lassen, die das bisweilen etwas angestaubt wirkende Gremium mit beinah brachialer Gewalt wieder in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit gerückt hat. Man möchte fast von einer gelungenen Marketing-Aktion sprechen. Leider aber trifft es das nicht.

Er tut es tatsächlich: der Ethikrat fordert die Abschaffung von Babyklappen und anonymen Geburten. In der Begründung heißt es, dass die Wahrnehmung dieser Angebote durch Mütter in Not die Rechte des Kindes auf Wissen um seine Herkunft verletzt. Dem wird gegenüber gestellt, dass die Wirksamkeit der Babyklappe ohnehin kaum umfassend sein kann, da nicht alle Mütter, die ihre Kinder nicht selbst aufziehen wollen, erreicht würden. Wiederkehrende Fälle von Kindstötungen belegen dies.

Dass Babyklappen und anonyme Geburten nicht ausreichen, um alle Kinder aus ihrer Notlage zu retten, steht außer Frage. Sie sind lediglich ein weiteres Mittel in einer Kette von Hilfsmaßnahmen, die dem Wohl von Mutter und Kind dienen. Neben so vielen anderen Mitteln auch. Aber anstatt die (nicht umfassende) Wirksamkeit der Babyklappe als Grund ihrer mangelnden Existenzberechtigung anzuführen, sollte man sich lieber die Frage stellen, welche Zielgruppen man mit der Abschaffung der Klappen und der Möglichkeit der anonymen Geburten denn noch von einer Hilfeleistung ausschließt.
Man darf in dieser Diskussion niemals die Augen davor verschließen, dass Frauen, die diese Angebote wahrnehmen, für sich und ihr Kind keinen anderen Ausweg aus einer physisch und psychisch belastenden Situation sehen. Vielleicht stehen wirtschaftliche Erwägungen hinter der Entscheidung. Häufiger hingegen dürfte nicht ertragbarer Druck des sozialen Umfelds der Auslöser für eine so radikale Entscheidung sein. Der (gefühlten) Ausweglosigkeit der betroffenen Frauen werden die Alternativangebote des Ethikrates nur in unzureichendem Maße gerecht.

Mich erinnert die Argumentation des Ethikrates irgendwie an die Debatte um den §218. Auch hier wurde das Kindswohl als ultimatives Argument angeführt. Und das in einer Diskussion, die von Männern über Kinder geführt wurde. Über die Köpfe der Frauen hinweg, die damit zu reinen Gebärmaschinen degradiert wurden. So weit geht der Ethikrat (Frauenanteil ca. 30%) in seiner Argumentation freilich nicht. Dennoch stellt auch er die Rechte des Kindes und damit das Kindswohl über das der Mutter. Überspitzt ausgedrückt: Der Nachwuchs ist wichtig. Die Frau und Mutter hat damit ihre Pflicht der Gesellschaft gegenüber erfüllt und darf gerne hinten runter fallen. Diese Herabwürdigung der Frauen gegenüber dem von ihnen geborenen Nachwuchs ist ethisch deutlich fragwürdiger als die Babyklappe selbst.

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