Donnerstag, 25. Juni 2009

Integration geht unter

Und da ist sie wieder. Die kleine Ayse. Ist dem geneigten Leser nicht bekannt? Kaum verwunderlich. Denn die junge Schülerin mit Migrationshintergrund, einem islamisch geprägten welchen, gibt es nicht. Es ist das Lieblingsbeispiel der Soziologin Dr. Necla Kelek. Die umstrittene Wissenschaftlerin, unter anderem Autorin einer Studie für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ist der Ansicht, dass Ayse der Prototyp des islamischen Mädchens ist, das durch die Verweigerung der Eltern nicht am Schwimmunterricht teilnehmen darf und deshalb bewusst „desintegriert“ wird. Der geneigte Leser ahnt, dass der Grundgedanke der Studie einen anderen Vater haben mag als den der wissenschaftlichen Korrektheit.

Tatsächlich spricht viel gegen die Annahme, die Freistellung vom Sport- und Schwimmunterricht für Mädchen aus muslimischen Familien sei ein Massenphänomen. Nicht nur Yasemin Karakaşoğlu und Mark Terkessidi halten Kelek vor, Einzelfälle zu exemplarischen Gattungsmerkmalen zu stilisieren. Auch weit weniger in der empirischen Sozialforschung verhaftete Stimmen äußern sich vorsichtig skeptisch zu den Schätzungen der türkischstämmigen Soziologin. So können Vertreter der Schulämter der Stadtstaaten Bremen und Hamburg (immerhin die Städte mit den höchsten Anteilen an Migranten) keine signifikanten Verweigerungsquoten feststellen. Die Zahl der Fälle sei, so wird auf Tagesschau.de berichtet, verschwindend gering. Sie resultiere zudem mehr aus finanziellen denn aus religiösen Gründen.

Trotzdem lässt es sich Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble nicht nehmen, genau dieses Thema, die ausgegrenzten Ayses, auf die Agenda der gerade stattfindenden 4. Islamkonferenz zu setzen. Medienwirksames Thema, heißt es dazu aus dem BMI. Immerhin zumindest in diesem Punkt ehrlich. Aber was hilft es?

Verweigerung des Sportunterrichtes, ob aus Gründen der Religion, der Gesundheit oder der Faulheit, hat nichts zu tun mit der von Volker Kauder so apokalyptisch bezeichneten Desintegration (wer denkt jetzt auch grad eher an Science-Fiction als an Innenpolitik?). Tatsächlich funktioniert die Integration deutlich besser als ihr Ruf das erahnen lassen würde. Auch das hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer (vermutlich anderen) Studie herausgefunden. Natürlich gibt es Abstriche. Aber wo gibt es die nicht?

Jetzt stellt sich mir als interessiertem Laien doch die Frage, welchen Sinn und welche Motivation eine Konferenz hat, deren vordringlicher Aufhänger eine offensichtliche Halbwahrheit (um nicht das Wort Lüge zu benutzen) ist?
Der Integration der Zuwanderer in die deutsche Gesellschaft und deren Akzeptanz der Migranten wird das reichlich wenig helfen. Das Verhalten des Dr. Wolfgang Schäuble, der unter dem Schafspelz des Gastgebers einer solchen Konferenz die geschärfte Rhetorik des passionierten Anti-Terror-Kämpfers pflegt, ist reine Augenwischerei. Und das zum Unwohle aller; zuvorderst derer, denen er mit einer Veranstaltung wie der Islam-Konferenz zu helfen verspricht.