Montag, 16. Juni 2008

Die USA und die Mär von der transatlantischen Zusammenarbeit

Bisher hatte ich, wie ich unumwunden zugestehe, eine hohe Meinung von den (bisher) beiden demokratischen Kandidaten im Wahlkampf um das Präsidentenamt der USA. Hillarys großer Bonus war vermutlich die Konstellation ihrer Chromosomen. Aber auch das kann ja ein Faktor sein.

Die Einleitung lässt vermuten, dass sich mein Blick auf die Dinge ein wenig geändert hat. Warum dem so ist, möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten.


Betrachtungsgegenstand, und der Begriff Politikum ist hier nicht einmal zu hoch gegriffen, ist ein Tankflugzeug. Genauer gesagt eines, das in den Bestand der US Air Force integriert werden soll. Traditioneller Lieferant großen Fluggeräts an amerikanische Streitkräfte ist, wenig verwunderlich, der heimische Monopolist Boeing.

Nun besagt die US-amerikanische Rechtsprechung eindeutig, dass Rüstungslieferanten europäischer Alliierter denen aus dem eigenen Land gleichzusetzen sind. Solang die amerikanische Rüstungsindustrie, nicht zuletzt befeuert durch eine bis vor wenigen Jahren beispiellose Wirtschaftskraft, den Kalten Krieg und eine nicht unerhebliche Anzahl bewaffneter Konflikte, führend in vielerlei Bereichen der militärischen Technik war, hat diese Regelung auch niemanden gestört. Nun aber drängt das durch die europäische Annäherung initiierte EADS-Konsortium immer stärker auf den Markt. Gerade Tankflugzeuge, deren Funktion es erlaubt, bewährte zivile Flugzeugmuster als Basis für eine Weiterentwicklung zu nutzen, bieten sich für eine solche Ausdehnung auf den Markt der Rüstungsindustrie natürlich an.


Airbus (genau genommen der Auftragnehmer Nothrop Grumman mit dem Vertragspartner EADS) wollte diese Chance nutzen und schickte eine A330-Variante (den A330 MRTT) ins Rennen gegen die von Boeing angebotene 767-Version KC-767.

Entscheidungsgrundlage der Air Force, deren Wunschflugzeug der Airbus ist, waren fünf Faktoren, die nicht nur die Leistungsparameter des zu beschaffenden Geräts sondern auch zu erwartende Kosten und die Zuverlässigkeit der Lieferfirmen in die Betrachtung einbezogen. Der A330MRTT schnitt in der Mehrzahl der Punkte besser oder deutlich besser als die KC-767 ab.

(Mit Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Lieferanten soll nicht unerwähnt bleiben, dass Boeing im Jahre 2004 nur sehr knapp einen Leasingauftrag über 100 KC-767 wieder verlor, nachdem sich herausstellte, dass der Vertrag um sechs Milliarden Dollar überteuert gewesen war. Senator John McCain hat diese so offensichtliche Ausnutzung des vermeintlichen Monopols durch Boeing zum Anlass genommen, die Unterzeichnung zu verhindern.)


Bis dahin also an sich klare Verhältnisse, wäre da nicht der amerikanische Nationalstolz und die ungebrochene Panik vor dem viel beschworenen „Ausverkauf nationaler Interessen“; woher auch immer diese ominöse Formulierung kommen mag und was auch immer sie mir sagen will. Im Ergebnis kritisieren nicht nur die Senatoren das Vorhaben scharf, in deren Staaten Boeing-Werke stehen. Auch der Vorsitzende des Unterausschusses für militärische Bewilligung, ein Mister John Murtha, drohte mit der Einfrierung der Beschaffung aus Gründen, die man gut und gerne protektionistisch nennen kann. Seiner Argumentation zufolge wurden die Auswirkungen der Auftragsvergabe an Northrop Grumman/EADS auf den heimischen Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt. (Anmerkung 1: 60% der Fertigung des A330 MRTT würde in den USA erfolgen. Anmerkung 2: Welchen privaten Investor interessiert denn sowas?)

Schlimmer aber noch: auch die bis dato hoch in meiner Gunst stehenden demokratischen Präsidentschaftsbewerber, von denen mittlerweile ja nur noch einer übrig ist, stemmen sich gegen die Auftragsvergabe nach Europa, auch wenn sie streng genommen mehrheitlich im eigenen Land bleibt. Wirtschaftliche Kurzsichtigkeit und eine derart offene und, mit Verlaub, unverkennbar dämliche und populistische Wahltaktiererei gegen McCain hatte ich bei ihnen tatsächlich nicht erwartet.


Quelle: "Europäische Sicherheit", Ausgabe 5/2008, Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

leider funktioniert der Wahlkampf nach seinen eigenen Regeln, die bekanntlich wenig damit zu tun haben, was denn nun tatsächlich gut für das jeweilige Volk ist.

Danke in jedem Fall für die tolle Hintergrundberichterstattung und noch viel Erfolg in der Welt der Bloggs.