Dienstag, 11. Februar 2014

Das Präsidium des ADAC braucht mich. Sie wissen es nur noch nicht.

Folgendes schrieb ich heute an den ADAC:

An das
Präsidium des ADAC e.V.
z.H. Dr. August Markl
Hansastraße 19 80686
München

Sehr geehrte Herren,

ich habe vernommen, dass bei Ihnen seit gestern eine Stelle im Vereinspräsidium des ADAC unbesetzt ist. Für den vakant gewordenen Posten möchte ich auf der nächsten ADAC-Hauptversammlung gern kandidieren. Ich bin eine mutige und engagierte Ingenieurin und bitte um Ihre Unterstützung für dieses Unterfangen.

Bevor ich zu den Gründen komme, weswegen ich eine personelle Neuaufstellung an der Spitze des Clubs für unabdingbar halte und welche Ideen ich für die Neuaufstellung habe, möchte ich zuerst einige Worte zu mir verlieren. Möglicherweise bin ich Ihnen bekannt als stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland. Ich verfüge also durchaus über Führungserfahrungen in einer großen Organisation. Der Hinweis auf meine politische Überzeugung soll Ihnen aber vor allem verdeutlichen, was essentieller Bestandteil meines Wertekanons ist: Transparenz.
Darüber hinaus zeichne ich mich durch umfassende fachliche Kompetenz aus. Ich habe Maschinenbau und Verkehrsingenieurwesen studiert. Sowohl in der Wissenschaft als auch in meiner beruflichen und politischen Praxis habe ich mich nicht nur mit dem motorisierten Individualverkehr, sondern mit dem gesamten Themenkomplex Verkehr intensiv und auf sehr unterschiedlichen Ebenen befasst. Weitere Informationen zu mir und meinem beruflichen Werdegang entnehmen Sie bitte meinem Lebenslauf und meinem Profil in einem einschlägigen Internetportal.

Jetzt steht eine Frage im Raum: Warum tue ich das?
Der ehemalige Präsident Peter Meyer bezeichnete den ADAC als »nicht gemeinnützig, sondern [als] Idealverein, der seine Tätigkeit nicht nach wirtschaftlichen Zwecken ausrichtet, sondern sich an den Interessen und Bedürfnissen seiner Mitglieder orientiert«. Das ist ein hehres Ziel, dessen Erreichung ich als langjähriges Mitglied allerdings nur sehr eingeschränkt wahrnehmen kann. Meine Interessen haben für den ADAC vielmehr nie eine Rolle gespielt. Der Club hat nie danach gefragt. Er hat nie gefragt, ob ich mich durch ihn verkehrspolitisch vertreten lassen wollte. Er hat auch nie gefragt, ob ich seine Nähe zu Automobilkonzernen oder anderen großen Herstellern auf dem Automobilsektor gut finde. 
Der aktuellen Krise liegt nicht nur das Fehlverhalten Einzelner zugrunde, sondern es bestehen grundsätzliche Mängel im Selbstverständnis des ADAC und in der Kultur des Clubs. Daran muss der ADAC zuerst arbeiten, bevor sich konkrete strukturelle, prozessuale und auch personelle Entscheidungen ableiten lassen.

Im Folgenden finden Sie die aus meiner Sicht substanziellen Problemfelder, die dringend bearbeitet werden müssen.
Lassen Sie Ihren Zehn-Punkte-Plan für die Zukunft des Clubs in der Tasche, bevor nicht eine gründliche Aufarbeitung der Geschehnisse der letzten Jahre erfolgt ist. Und unterlassen Sie es möglichst, in der Vereinszeitung MOTORWELT schon die Chance hinter der Krise zu postulieren, bevor deren Zenit noch nicht erreicht ist. Das Lernen kommt nach der Aufarbeitung. Was zuvor kommt, ist Koketterie mit der eigenen »menschlichen Fehlbarkeit«.
Führen Sie eine Analyse Ihrer Personal- und Prozessstruktur durch und beleuchten Sie Ihre Firmenkultur, um zu erkennen, wie es zu den massenhaften Manipulationen kommen konnte, ohne dass nicht schon zuvor Warnungen ausgesprochen oder wahrgenommen wurden. Implementieren Sie auf Basis der Ergebnisse der Aufarbeitung wirksame Kontrollmechanismen.

Lassen Sie Ihre Strukturen und Prozesse regelmäßig auditieren. LobbyControl oder andere Vereine und Institutionen stehen dafür mit Rat und Tat zur Seite.

Überdenken Sie Ihr Bild von sich und Ihren Anspruch an das Wirken des ADAC. Ist Ihr Ziel, ein Dienstleister zu sein, der Pannenhilfe, Luftrettung und Beratung bei der Urlaubsbuchung anbietet? Oder ist Ihr Ziel, der Lobbyverband sonst nicht organisierter Autofahrer zu sein? Wofür auch immer Sie sich entscheiden: Kommunizieren Sie es klar. Besser noch: Befragen Sie Ihre Mitglieder, welche Ausrichtung der ADAC deren Meinung nach haben soll. Fragen Sie Ihre Mitglieder, warum diese in den ADAC eingetreten sind. Haben Sie vor den Antworten keine Angst. Sie können daraus die Legitimation für Ihr Handeln ableiten.

Reformieren Sie Ihre Struktur. Das Dienstleitungsgeschäft und die Arbeit zur Förderung des Vereinszwecks sind zwei unterschiedliche Arbeitsbereiche und müssen auch als solche gehandhabt werden. Die »Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Kraftfahrwesens, des Motorsports und des Tourismus« sind legitime Vereinsziele. Der Grund, weswegen ein großer Teil Ihrer Mitglieder überhaupt solche geworden sind, sind aber die von Ihnen angebotenen Dienstleistungen. Dieses Aufgabenspektrum muss klar voneinander getrennt werden, und die Dienstleistungen müssen aus der Vereinsstruktur ausgegliedert werden. Die weitgehend unkontrollierte Steuerung des Clubs und seiner Geschäfte durch einige wenige Funktionäre wäre damit nicht mehr möglich. Für die Mitglieder, die dann tatsächlich und bewusst Mitglieder des Clubs und nicht nur Kunden der Tochtergesellschaften sind, sind Sie dann eine legitimierte politische Interessenvertretung und nicht nur ein »Gelber Engel«, der nebenher – und weitgehend ungefragt – noch Politik macht.

Behalten Sie Ihre Zielgruppe und deren Interessen genau im Auge. Massenhafte Manipulationen an Umfragen und gar an Tests sind nichts anderes als Betrug an Ihren Mitgliedern. Der Betrug wiegt umso schwerer, als dass sich tausende, möglicherweise gar Millionen Kaufentscheidungen auf Ihre Untersuchungen stützten. Gerade die auf durch Sie durchgeführte Produkttests fußenden Kaufentscheidungen betreffen fast ausnahmslos Komponenten und Systeme, deren Funktionalität und Qualität über nicht weniger als Leben und Tod entscheiden können. Derzeit macht es nicht den Anschein, als seien Ihre Mitglieder der Fokus Ihrer Tätigkeit; eher im Gegenteil. Der Anspruch, eine große Zahl von Autofahrern auch politisch zu vertreten, wirkt vor diesem Hintergrund noch irritierender.

Erneuern Sie sich. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Nicht nur das Konfliktfeld von Mobilitätsbedürfnis auf der einen und der berechtigterweise immer bedeutender werdende Aspekt des Umweltschutzes auf der anderen Seite hatten entscheidenden Einfluss auf das individuelle Bewegungs- und Konsumverhalten und die Debatten darüber. Auch andere, mit Verkehrspolitik auf den ersten Blick wenig assoziierte Themen sind in der öffentlichen Wahrnehmung wichtiger geworden. Dazu zählen ein stärkeres Bedürfnis nach Transparenz und deutlich veränderte Anforderungen an die gesellschaftliche Repräsentanz eines Organs von der Reichweite des ADAC. Eine Bühne voller alter Männer während der Verleihung des »Gelben Engels« repräsentiert nicht, sondern schreckt ab.

Verstehen Sie meine »Bewerbung« bitte auch als Zusammenstellung von Hinweisen eines (ehemals wohlmeinenden) Mitglieds. Ob ich das wieder werde, hängt sehr stark von Ihrem weiteren Vorgehen ab – das hat aber mit meiner Karriereplanung bei Ihnen oder anderswo nichts zu tun.

Ich freue mich, von Ihnen zu hören und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Ing. Carolin Mahn-Gauseweg
Ingenieur für Produktsicherheit
Stellvertretende Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland

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